Erleichterungen für den Alltag durch Nachteilsausgleiche
Kein Mensch darf in Deutschland nach dem Grundgesetz, kurz GG, aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden (Artikel 3 GG). Deshalb wirkt der Gesetzgeber Einschränkungen – ob körperlicher, psychischer, geistiger Natur – im Rahmen seiner Möglichkeiten entgegen. Ein wichtiges Instrument sind dabei die sogenannten Nachteilsausgleiche. Mithilfe einer Vielzahl an Hilfen und Vergünstigungen soll beeinträchtigten Menschen das Leben mit ihrer Behinderung erleichtert, die Selbstbestimmung gestärkt und Barrieren abgebaut werden.
Die Nachteilsausgleiche erstrecken sich auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche. In diesem Ratgeber nehmen wir die wichtigsten in den Blick und erklären Ihnen, wie Sie diese in Anspruch nehmen können.
Ehe wir auf die Nachteilsausgleiche näher eingehen, ist jedoch noch wichtig zu wissen, welche Rolle der GdB in diesem Zusammenhang spielt.
Die Bedeutung des GdB bei Nachteilsausgleichen
Ein Großteil der Nachteilsausgleiche steht Menschen mit einem GdB ab 50 zu – Menschen mit einer Schwerbehinderung und einem entsprechenden Schwerbehindertenausweis also. Doch selbst dann können die Vergünstigungen noch ganz unterschiedlich ausfallen, denn auch ab einem Wert von 50 entscheidet die Höhe des GdB mitunter über Anspruchsberechtigungen sowie vorhandene Merkzeichen.
Hinweis: Nachteilsausgleiche bei GdB unter 50
Haben Sie einen GdB unter 50, kommen Ihnen steuerlich absetzbare Pauschbeträge zugute. Die finden Sie im weiteren Verlauf auf dieser Seite. Zudem können sich Erleichterungen im Arbeitsalltag für Sie ergeben.
Ob Ihnen ein Nachteilsausgleich zusteht, hängt also nicht nur vom GdB allein ab, sondern auch davon, ob Ihr Schwerbehindertenausweis unter Umständen ein bestimmtes Merkzeichen aufweist. Bitte berücksichtigen Sie das immer im Zusammenhang mit Nachteilsausgleichen und lassen sich ggf. ausführlich beraten, um geltend zu machen, was Ihnen in Ihrer Situation zusteht.
Die wichtigsten Nachteilsausgleiche im Überblick
Bitte beachten Sie: Die hier aufgeführten Nachteilsausgleiche stellen lediglich einen Auszug und keine vollständige Übersicht dar.
Erleichterungen bei Einkommens- und Lohnsteuer
Leiden Sie an einer Behinderung, räumt Ihnen der Gesetzgeber steuerliche Freibeträge, sogenannte Pauschbeträge, bei der Einkommens- und Lohnsteuer ein – insbesondere bei einer Schwerbehinderung. Der steuerlich absetzbare Pauschbetrag muss beim Finanzamt beantragt werden und fällt je nach Grad der Behinderung höher oder niedriger aus.
Hintergrund der Pauschbeträge ist, die oftmals zusätzlichen Aufwendungen, die bei vielen Menschen mit Behinderung zu Buche schlagen, aufzufangen. Dabei geht es vor allem um Mehrkosten für:
- Körperpflege
- Hygieneartikel
- Pflegeleistungen
Der Pauschbetrag wird unabhängig von Ihren tatsächlichen Ausgaben bei Ihrer Steuererklärung berücksichtigt. Sie müssen lediglich Ihre Behinderung und den jeweiligen GdB beim Finanzamt nachweisen.
Grad der Behinderung | Höhe des Pauschbetrages/Jahr |
---|---|
20 | 384 EUR |
30 | 620 EUR |
40 | 860 EUR |
50 | 1.140 EUR |
60 | 1.440 EUR |
70 | 1.780 EUR |
80 | 2.120 EUR |
90 | 2.460 EUR |
100 | 2.840 EUR |
100 und Merkzeichen: BI, TBI oder H | 7.400 EUR |
Wichtig: Außergewöhnliche Belastungen
Außergewöhnliche Belastungen wie bspw. außerordentliche Krankheitskosten, Aufwendungen für Heilkuren oder Umrüstungskosten für Ihr Auto bzw. Umbauten Ihrer Wohnung können Sie unter Umständen neben den Pauschbeträgen gesondert steuerlich geltend machen.
Fahrtkosten
Fallen für Sie aufgrund Ihrer Behinderung besondere Fahrkosten an, haben Sie auch in diesem Bereich ggf. Anspruch auf einen Pauschbetrag. Die Anspruchsvoraussetzungen sind wie folgt:
Grad der Behinderung | Merkzeichen | Höhe der Fahrkostenpauschale/Jahr |
---|---|---|
70 | G | 900 EUR |
80 | --- | 900 EUR |
--- | aG, BI, TBI, H | 4.500 EUR |
Wichtig dabei ist, dass Sie neben dem Pauschbetrag keine weiteren berhinderungsbedingten Fahrkosten geltend machen können, da diese Teil der außergewöhnlichen Belastungen sind.
TÜV-Gebühren
Wurde Ihr Fahrzeug an Ihre Bedürfnisse angepasst, weshalb beim TÜV oder der Straßenverkehrsbehörde zusätzliche Gebühren für bspw. Eignungsgutachten, Eintragungen oder Auflagen im Führerschein anfallen, kann die jeweilige Stelle Ihnen eine Gebührenermäßigung oder -befreiung gewähren. Das bezieht sich allerdings nur auf Gebühren, die in Zusammenhang mit Ihrer Behinderung einhergehen.
Parkerleichterungen
Damit Ihnen Parkerleichterungen zugutekommen, benötigen Sie einen besonderen Parkausweis – Ihr Schwerbehindertenausweis allein genügt nicht. Dabei gibt es zwei Parkausweis-Arten: der blaue und der orangefarbene Parkausweis.
Den blauen europäischen Parkausweis erhalten Sie bei den Ausweismerkzeichen aG oder BI. Ebenso haben Contergan-Geschädigte einen Anspruch auf den Parkausweis sowie Menschen mit vergleichbaren Behinderungen. Dieser Ausweis berechtigt Sie zur Nutzung ausgewiesener Behindertenparkplätze.
Auf den orangefarbenen Parkausweis haben Sie Anspruch, wenn bei Ihnen z.B. eine Schwerbehinderung der unteren Extremitäten vorliegt, Sie an Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa erkrankt sind oder Sie einen künstlichen Darmausgang mit künstlicher Ableitung haben. Bitte beachten Sie, dass die genannten Schwerbehinderungen an einen GdB geknüpft sind.
Wichtig: Parkausweis
Nur der blaue Parkausweis berechtigt Sie, ausgewiesene Behindertenparkplätze zu nutzen. Mit dem orangefarbenen Ausweis ergeben sich für Sie lediglich Parkerleichterungen innerhalb Deutschlands. So dürfen Sie bspw. im eingeschränkten Halteverbot bis zu drei Stunden parken.
Versicherungsprämien für Elektrorollstühle
Nutzen Sie einen Elektrorollstuhl mit einer maximalen Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h kann dieser bei manchen Versicherern in die Privathaftpflichtversicherung eingeschlossen werden, ohne dass sich Ihre Prämie erhöht.
Wohngeld & Sozialer Wohnungsbau
Wurde bei Ihnen ein GdB von 100 festgestellt, steht Ihnen ein Freibetrag beim Wohngeld zu. Gleiches gilt aber auch bei einem GdB unter 100 – vorausgesetzt, Sie sind pflegebedürftig.
Haben Sie aufgrund Ihrer Schwerbehinderung spezielle Wohnbedürfnisse, können Sie unter Umständen eine Zusatzförderung zum Bau oder Kauf einer geeigneten Immobilie, aber auch zum Umbau vorhandenen Wohnraums beanspruchen. Nähere Informationen erhalten Sie bei Ihrer Kreis- oder Stadtverwaltung. Wir raten Ihnen: Informieren Sie sich vor Baubeginn ausführlich über Ihre Möglichkeiten, um Probleme bei der Geltendmachung zu vermeiden.
GEZ-Gebühren
Weist Ihr Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen RF aus, können Sie bei der GEZ eine Ermäßigung oder Befreiung der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht beantragen. Taubblinde Menschen sind grundsätzlich von der GEZ befreit.
Besonderer Kündigungsschutz
Menschen mit einer Schwerbehinderung genießen besonderen Kündigungsschutz. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen also nicht leichtfertig kündigen – er muss beim Integrationsamt einen entsprechenden Antrag stellen. Die Behörde entscheidet dann, ob die Kündigung rechtmäßig ist.
Zusatzurlaub
Beeinträchtigt Sie als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer eine Schwerbehinderung, haben Sie unter Umständen Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub. Voraussetzung ist unter anderem ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Fünf-Tage-Woche.
Aktivitäten
Mit einem Schwerbehindertenausweis erhalten Sie oft ermäßigten Eintrittspreise im Kino, Schwimmbad, Museum oder Theater. Ob und in welchem Umfang Sie Vergünstigungen erhalten, erfahren Sie in der Regel vor Ort oder im Internet.
Mehrbedarf beim Bürgergeld
Sind Sie auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld angewiesen, haben Sie in dem Kontext unter Umständen Anspruch auf einen Mehrbedarf bei Behinderung. Welche Voraussetzungen gelten, erfahren Sie auf unserer Partnerseite, die sich ausschließlich mit dem Bürgergeld befasst: Mehrbedarf bei Behinderung.
Blindensendungen
Beeinträchtigt Sie eine Sehbehinderung, können Sie mit der Deutschen Post Blindensendungen portofrei versenden. Dazu zählen:
- Schriftstücke in Brailleschrift wie bspw. Briefe oder Zeitungen
- Tonaufzeichnungen oder andere Magnetträger, bei denen der Absender oder Empfänger eine amtlich anerkannte Blindenanstalt ist bzw. den Versand in Auftrag gegeben hat
- Unterlagen für die Aufnahme von Blindenschrift
Wichtig beim Versand von Blindensendungen ist, dass der Umschlag nicht verschlossen sein darf. Zudem muss eine Kennzeichnung „Blindensendung“ vermerkt sein. Das Höchstgewicht für derartige Sendungen beträgt 1 kg.
Nachteilsausgleiche erhalten – so geht’s
Für viele Nachteilsausgleiche benötigen Sie einen Schwerbehindertenausweis mit entsprechenden Merkzeichen. Ersterer setzt einen GdB von 50 oder höher voraus. Ehe Sie also überhaupt Nachteilsausgleiche beantragen können, ist die Feststellung eines GdB nebst Merkzeichen unerlässlich.
Wie Sie den GdB beantragen und was es dabei zu berücksichtigen gibt, erfahren Sie in unserem Ratgeber: Schwerbehinderung feststellen lassen.
Je nachdem, welche Nachteilsausgleiche letztlich für Sie infrage kommen, müssen Sie Ihren Anspruch bei der jeweiligen Stelle mittels Vorlage des Schwerbehindertenausweises nachweisen.
Wichtig: Informieren Sie sich
Alle Nachteilsausgleiche vollständig abzubilden, dürfte kaum möglich sein. Denn: Einzelne Anbieter können Menschen mit Behinderung individuell Vergünstigungen anbieten. Ebenso gibt es auch auf Länder- und Kommunalebene weitere Nachteilsausgleiche. Informieren Sie sich deshalb und fragen Sie nach.
Ein Tipp der Redaktion: Der Sozialverband Deutschland (SoVD) informiert ausführlich über diverse Nachteilsausgleiche in Verbindung mit dem jeweiligen GdB in einer Broschüre: Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderung.
Menschen mit einer Schwerbehinderung unterliegen in aller Regel einem besonderen Kündigungsschutz. Im Zuge ihrer Beschäftigung besteht je nach Art und Ausmaß der Behinderung zudem Anspruch auf eine entsprechende Arbeitsplatzausstattung, eine Betreuung durch spezielle Fachdienste etc.
Welche Nachteilsausgleiche Menschen mit Behinderung zustehen, ist ganz unterschiedlich und vom Grad der Behinderung sowie Merkzeichen abhängig. Je nach Ausmaß der Beeinträchtigungen sind aber z.B. Steuervorteile in Form von Pauschbeträgen, Parkerleichterungen, Vergünstigungen in Bussen und Bahnen denkbar.
Fanden Sie diese Seite hilfreich?