Definition von Behinderung nach dem SGB IX
Auch wenn es keine allgemeingültige, rechtsverbindliche Definition von Behinderung gibt, so heißt es zum Beispiel im SGB IX, dass eine Behinderung vorliegt, sofern jemand wegen langfristiger körperlicher, seelischer, geistiger oder aufgrund von Sinnesbeeinträchtigungen nicht gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.
Hinweis: Definition „langfristig“
Unter langfristig versteht der Gesetzgeber einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Ist davon auszugehen, dass sich eine Beeinträchtigung nach wenigen Wochen oder Monaten lindert, liegt demnach keine Behinderung vor.
Die Definition gibt es bereits wieder – vier Arten von Behinderung werden unterschieden:
- körperliche Behinderung
- geistige Behinderung
- seelische Behinderung
- Sinnesbehinderung
Im weiteren Verlauf gehen wir auf die Behinderungsformen noch weiter ein. Wichtig dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Menschen mit Behinderung nicht nur unter einer der aufgezählten Beeinträchtigungen leiden – Wechselwirkungen sind nicht selten.
Um das Ausmaß aller Behinderungen unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf das tägliche Leben zu erfassen, gibt es den sogenannten Grad der Behinderung (GdB). Je nach Höhe des GdB stehen Menschen mit Behinderung unterschiedliche Nachteilsausgleiche zu, um ihnen eine möglichst selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Wichtig: GdB von 50
Ab einem GdB von 50 geht der Gesetzgeber von einer Schwerbehinderung aus. Menschen mit einer Schwerbehinderung kommen zahlreiche Zugeständnisse in Form von Nachteilsausgleichen zugute, weshalb bei einem Antrag auf Festsetzung des GdB dieser Grad oft angestrebt wird. Zudem besteht Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.
Der GdB muss beantragt werden. Zuständig für die Feststellung ist das Versorgungsamt, das sich dabei den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bedient. Diese bestehen aus einer Liste von Krankheiten bzw. Befunden, denen wiederum ein Grad der Behinderung oder ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) zugewiesen ist. Oft geht das Versorgungsamt jedoch von einem zu niedrigen GdB aus, was unter Umständen Nachteile für die Betroffenen bedeuten kann. Weiterführende Informationen zum GdB, dessen Beantragung und den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, finden Sie hier: Schwerbehinderung feststellen lassen.
Haben Sie bereits einen Feststellungsbescheid erhalten, wobei das Versorgungsamt Ihren GdB zu niedrig angesetzt hat, haben Sie die Möglichkeit, mit einem Widerspruch dagegen vorzugehen. Unsere Partneranwältinnen und Partneranwälte unterstützen Sie dabei. In unserem Ratgeber Widerspruch gegen Feststellungsbescheid erfahren Sie, wie.
Arten einer Behinderung
Es gibt unterschiedliche Behinderungsformen, die Menschen in ihrem Alltag beeinträchtigen und zur Feststellung eines GdB berechtigten. Der Gesetzgeber spricht in dem Kontext auch von Funktionsbeeinträchtigungen. Im Folgenden möchten wir Ihnen eine grobe Orientierung dafür liefern, gleichzeitig aber betonen, dass es sich ausschließlich um eine übergeordnete Einteilung handelt.
- Innere Erkrankungen: Wie es die Bezeichnung bereits vermuten lässt, sind innere Erkrankungen äußerlich nicht zwingend sichtbar, können Menschen, die darunter leiden, jedoch enorm beeinträchtigen. Beispiele sind Nierenschäden, Herzerkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose.
- Lernbehinderung: Unter Lernbehinderung fallen unterschiedliche Schwierigkeiten beim Lernen bzw. Arbeiten. Das können wesentliche Störungen bei der Auffassung, der psychischen Belastbarkeit und/oder der sozialen Einordnung sein, aber auch stärkere Sprachstörungen.
- Sinnesbehinderung: Einschränkungen beim Hör-, Seh-, Tast- oder Riechsinn, die nicht durch Hilfsmittel wie z.B. eine Brille bei einer Sehschwäche ausgeglichen werden können, stellen eine Sinnesbehinderung dar.
- Geistige Behinderung: Psychische Erkrankungen sind oft nicht sichtbar und mitunter schwer medizinisch messbar. Das ist auch der Grund dafür, weshalb der GdB hier oft zu niedrig festgestellt wird. Die Ausprägung einer Psychose, Depression oder Zwangskrankheit wird verkannt.
- Körperliche Behinderung: Unter eine körperliche Behinderung fallen diverse Bewegungseinschränkungen. Häufig handelt es sich dabei um Schädigungen des zentralen Nervensystems, des Skelettsystems oder um Fehlbildungen bzw. Schädigungen an Gliedmaßen.
Hinweis: Häufigste Ursachen einer Behinderung
Behinderungen werden überwiegend durch Krankheiten verursacht, an denen ein Mensch im Laufe des Lebens erkrankt. Lediglich rund 3 % sind angeboren oder treten im ersten Lebensjahr auf. Behinderungen infolge eines Unfalls oder einer Berufskrankheit machen etwa 1 % aus.
7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland
In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen (Stand Ende 2021). Das macht einen Anteil von etwa 9,4 % der Gesamtbevölkerung aus. Die wenigsten werden dabei bereits schwerbehindert geboren – neun von zehn schweren Behinderungen sind die Folge einer Erkrankung.
Nicht-Behinderung: Wann liegt keine Behinderung vor?
Um eine Behinderung und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen im Alltag einzuordnen, bedient sich der Gesetzgeber dem Grad der Behinderung. Dieser bewegt sich auf einer Skala von 10 bis 100 – zumindest in der Theorie. Denn: Ein GdB unter 20 bringt für die Betroffenen keinerlei Nachteilsausgleiche mit sich. Der Gesetzgeber spricht hier vielmehr von Gesundheitsstörungen, denn von einer Behinderung.
Behindertenrecht: Relevante Verordnungen und Gesetze
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG, Artikel 3) steht es klar und deutlich: Kein Mensch darf aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden. Die Bundesregierung hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, für Gleichbehandlung, Teilhabe und Chancengleichheit zu sorgen – und entsprechende Gesetze erlassen:
- Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): Es regelt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Bereich des öffentlichen Rechts. Vor allem Behörden, Körperschaften und Bundesanstalten wie bspw. die Bundesagentur für Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung sind dabei an das BGG gebunden. Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes ist der Abbau von Zugangsbarrieren zu staatlichen Einrichtungen, Services und Leistungen.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Das AGG findet vor allem im Arbeitsleben und dem Umgang im täglichen Leben untereinander Anwendung. Es zielt darauf ab, das Privatrecht von Menschen mit Behinderung zu schützen – auf der Arbeit wie auch in der Öffentlichkeit.
- Bundesteilhabegesetz (BTHG): Auch das BTHG soll Besserungen für Menschen mit Behinderung im Leben vor dem Hintergrund einer inklusiven Gesellschaft mit sich bringen. Gleichzeitig wird mit diesem Gesetz das Schwerbehindertenrecht weiterentwickelt.
- Sozialgesetzbuch IX (SGB IX): Das SGB IX umfasst Gesetze zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von beeinträchtigten Menschen und zu deren Rehabilitation. Damit setzt es den Grundsatz des GG, nach dem niemand aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden darf, konsequent um. Das SGB IX beinhaltet gleichermaßen Regelungen für Menschen, die mit einer Behinderung leben oder von einer bedroht sind.
Hinweis: GdB wichtiges Instrument
Der Grad der Behinderung ist das wohl wichtigste Instrument des SGB IX. Immerhin wird daran festgemacht, welche Nachteilsausgleiche Menschen, die durch eine Behinderung beeinträchtigt sind, geltend machen können.
Staatliche Leistungen für Menschen mit Behinderung
Werden Sie durch eine Behinderung beeinträchtigt, haben Sie unter Umständen Anspruch auf staatliche Leistungen, um Ihren Alltag zu meistern und/oder für Ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Die Leistungen fallen ganz unterschiedlich aus.
- Schwerbehindertenausweis: Einen Schwerbehindertenausweis erhalten Sie bei einer Behinderung ab einem GdB von 50. Ab diesem Wert geht der Gesetzgeber von einer Schwerbehinderung aus. Auf dem Ausweis sind verschiedene Merkzeichen, die Aufschluss über die jeweiligen Vergünstigungen geben, die Ihnen zustehen. Weiterführende Informationen zur Beantragung, der Gültigkeit etc. finden Sie in unserem Ratgeber zum Schwerbehindertenausweis.
- Persönliches Budget: Mit dem Persönlichen Budget können Sie Leistungen zur Teilhabe „einkaufen”. Sie entscheiden selbst, wann Sie welche Leistung in Anspruch nehmen möchten.
Hinweis: Geld statt Sachleistungen
Mit dem Persönlichen Budget werden Sach- durch Geldleistungen ersetzt. Welche Leistung bevorzugt wird, entscheiden beeinträchtigte Menschen selbst. Die Höhe bemisst sich dabei an den benötigten Hilfeleistungen.
- Behindertentestament: Beziehen Sie Sozialleistungen wie die Grundsicherung, erlischt mit Ihrem Tod unter Umständen auch der Anspruch für Ihre Kinder. Das Behindertentestament verhindert das, vorausgesetzt mindestens ein Erbe bzw. eine Erbin ist ebenfalls durch eine Behinderung beeinträchtigt.
- Rechtliche Betreuung: Sind Sie bei der Regelung eigener Angelegenheiten auf Unterstützung angewiesen, können Sie eine Person per Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht bevollmächtigen bzw. sich durch einen vom Amtsgericht bestellten Betreuer vertreten lassen.
- Bürgergeld: Sind Sie trotz Behinderung erwerbsfähig, können Sie Bürgergeld beziehen, sofern Sie gleichzeitig hilfebedürftig sind, sprich: nicht für Ihren Lebensunterhalt aufkommen können. In dem Zusammenhang haben Sie unter Umständen auch Anspruch auf sogenannte Mehrbedarfe. Weiterführende Informationen erhalten Sie hier: Voraussetzungen für den Bezug von Bürgergeld.
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit: Sind Sie älter als 65 oder können aufgrund Ihres gesundheitlichen Zustandes nicht arbeiten, haben Sie gegebenenfalls Anspruch auf Grundsicherung.
Sind Sie sich unsicher, ob und auf welche Leistungen Sie Anspruch haben, suchen Sie im Zweifelsfall eine Beratungsstelle vor Ort auf. In der Regel hat jede Stadt, Kommune oder Gemeinde eine Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung.
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